Taxonomie der meditativen Versenkung

Oftmals werde ich gefragt, worin denn der genaue Unterschied zwischen den verschiedenen Trancephänomen besteht wie sie bei der Hypnose oder der Meditation vorkommen. Eine einfache Antwort gibt es auf diese Frage nicht, da es bereits innerhalb der meditativen Versenkungstechniken unterschiedliche Strömungen gibt, die physiologisch gesehen ganz unterschiedlich wirken. Meditation ist somit nicht gleich Meditation. Neben den verschiedenen Hauptformen gibt es darüber hinaus noch eine noch viel größere Zahl von Mischformen.


Um wenigstens etwas Licht ins Dunkel zu bringen, werde ich im Folgenden die drei Hauptformen, nämlich Konzentration, Achtsamkeit und Mitgefühl erläutern:


Konzentrationsmeditation:
Das Ziel besteht hier darin, die sonst oft unbewusst umher schwankende Aufmerksamkeit willentlich auf einen bestimmten Gegenstand zu fokussieren und diesen Fokus für einen längeren Zeitraum beizubehalten.
Als Gegenstände eignen sich beispielsweise reale Gegenstände wie ein brennende Kerze oder eine Lotusblume, aber auch die Konzentration auf den eigenen Atem, genauer die Dynamik von Ein- und Ausatmen, sind beliebte Praktiken.
Beginnt man mit dieser Technik, ist es normal, dass anfangs die Gedanken noch des Öfteren unbewusst beginnen abzuschweifen. Sobald einem das bewusst wird, lenkt man die Aufmerksamkeit mit sanftem Impuls wieder zurück und konzentriert sich erneut auf den Ursprungsgegenstand. Mit etwas Training und Geduld werden die Phasen der fokussierten Aufmerksamkeit länger und es gelingt einem schneller zu realisieren, wenn die Konzentration nachlässt.

Auf neuronaler Ebene aktiviert die Konzentrationsmeditation insbesondere frontale Hirnabschnitte, die wichtig sind für kognitive Funktionen wie entscheiden, planen und die Abschätzung von Konsequenzen unseres Handelns.

Achtsamkeit:
Bei achtsamkeitsbasierten Meditationstechniken geht es darum das offene Gewahrsein zu üben, also ganz bewusst wahrzunehmen was im Hier und Jetzt, im gegenwärtigen Moment geschieht. Zentral ist dabei eine rein beobachtende Position einzunehmen und nicht zu bewerten.

Ungefähr so wie eine Katze mucksmäuschenstill und voller Spannung ein Mauseloch beobachtet um bei der kleinsten Bewegung, sofort zuschlagen zu können. 
Im Strom des Gewahrseins kann man sich beispielsweise beim Ausüben von einfachen Tätigkeiten (z.B. gehen, abwaschen, aber auch essen) beobachten und nachspüren wie diese sich im Körper anfühlen.

Auch ist es möglich einfach seinen Gedanken im gegenwärtigen Moment bewusst zu sein, ohne willentlich in diese einzugreifen.

Ein angenehmer Begleiteffekt dieser Variante ist, dass die Gedanken im Zuge dessen ganz von allein ruhiger und langsamer werden und vermehrt Pausen zwischen den Gedanken zu beobachten sind. Dies geht mit einer tiefen vegetativen Entspannung des Körpers und einer Verminderung der Ausschüttung von Stresshormonen sowie einer Dämpfung von Enzündungsrekationen einher.

Aktuelle Studien belegen, dass Depressionen und Ängste mindestens genauso gut durch Achtsamkeit wie mit herkömmlichen Antidepressiva gelindert werden können und das nebenwirkungsfrei!
Neuronal betrachtet aktiviert Achtsamkeit aktiviert vor allem Gebiete im Scheitel- und Schläfenlappen. Dies hilft uns dabei mit einer wertfreien Distanz auf Gedanken und Gefühle zu reagieren. Studien zeigen, dass diese Fähigkeit vor allem Schmerzpatienten helfen kann, ihre Schmerzen anders zu empfinden.


Mitgefühl:
Ziel der Mitgefühlsmeditation ist, sich für die Bedürfnisse anderer Menschen zu sensibilisieren und liebevolle Anteilnahme zu üben.
Die Meditation beginnt damit, dass der Praktizierende sich auf das bedingungslose Wohlwollen und die Liebe zum nächsten konzentriert: Unterstützend können dabei Mantras wie „mögen alle Lebewesen Glück finden“ innerlich wiederholt werden oder auch innere Bilder genutzt werden, um diese Gefühle wachzurufen.

Im nächsten Schritt, wenn diese Gefühle intensiv empfunden werden, können diese schrittweise auch auf neutralere Objekte (z.B. unbelebte Objekte wie einen Stein) oder Personen übertragen werden.
Im Unterschied zur Empathie, bei der generell die Empfindungen des Gegenübers nachvollzogen werden, geht Mitgefühl mit positiven Gefühlen einher, ohne ein Leid des Gegenübers zu negieren oder sich in dieses hineinzusteigern. Somit führt Mitgefühl keineswegs zu belastenden Gefühlen und Entmutigung sondern stärkt sogar die innere Balance und die Entschlossenheit zu helfen.
Auf neuronaler Ebene aktiviert Mitgefühl vermehrt solche Hinregionen, die auch auch bei gütigung und hilfsbereitem Verhalten aktiv sind.


Quellen:


Hasenkamp, W. et al.: Mind Wandering and Attention during Focused Meditation: A Fine-Grained Temporal Analysis of Fluctuating Cognitive States. In: Neuro-Image 59, S.750 – 760, 2012


Lutz, A et al.: Mental Training Enhances Attentional Stability: Neural and Behavioral Evidence. In: Journal of of Neuroscience 29, S.13418 – 13427, 2009


Ott, U.: Meditation für Skeptiker. O.W. Barth, München 2010


Singer, T., Klimecki, O.M.: Empathy and Compassion. In: Current Biology 24, S. R875 – R878, 2014


Slaghter, H.A. et al.: Mental Training as a Tool in the Scientific Study of Brain and Cognitive Plasticity. In: Frontiers in Human Neuroscience 5, 17, 2011