Ruhepuls willentlich verändern – Leserbrief
Den Zusammenhang zwischen einem niedrigen Ruhepuls und dem Risiko, kriminell zu werden, beschrieb der britische Psychiater Adrian Raine („Kaltherzig“, Gehirn und Geist, Heft 3/2015). Dem Artikel zufolge brechen Menschen mit niedriger Herzfrequenz häufiger Gesetze. Die Untererregung im autonomen Nervensystem kann angeboren sein, aber auch auf erworbene Hirnschäden zurückgehen.
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Meine Gedanken dazu:
Der Ruhepuls als Prädiktor für zukünftiges delinquentes Verhalten und sogar als Biomarker für eine antisoziale Persönlichkeit hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Dem Bericht zufolge handelte es sich dabei zwar um Korrelate, ein kausaler Zusammenhang wurde somit auch nicht angenommen. Dennoch finde ich die Befunde spannend und frage mich, ob bisher auch schon Längsschnittstudien mit Probanden durchgeführt wurden, die mittels gezielter Techniken ihren Ruhepuls willentlich verändern können.
Hierzu fallen mir beispielsweise regelmäßige Anwender von achtsamkeitsbasierter Meditation und die Studien von Britta Hölzel ein. In diesen konnte unter anderem gezeigt werden, dass Meditation Auswirkungen auf die Aktivität des Nervus vagus hat und die Anwender deutlich weniger subjektiven Stress erleben.
Hinzu kommt, dass es physiologisch gesehen unmöglich ist, Anspannung und Entspannung gleichzeitig zu erleben. Wenn also geübte Meditierende gezielt, auch in stressinduzierten Situationen, Entspannung herbeiführen und somit ihren Ruhepuls und die Aktivität des Nervus vagus beeinflussen können, interessiert mich, ob sich die Gewaltbereitschaft im Zuge dessen gleich mitverändert. Eine weitere Gruppe von Probanden dürften Scharfschützen sein, die im Rahmen ihrer Ausbildung ebenfalls Techniken erlernen, um den Ruhepuls zu verlangsamen.
veröffentlicht in Gehirn & Geist (Nr. 5/ 2015)