Porträt : Eleonor Longdon – eine außergewöhnliche Wissenschaftlerin!

In der Uni haben wir gelernt psychische Erkrankungen mittels streng definierten Kriterien zu kategorisieren, also klar abzuleiten was als gesund und normal gegenüber psychopathologisch oder umgangssprachlich „verrückt“ gilt.

Ob dieses Kategorienschema einen Nutzen außerhalb des Abrechnungsapparates der Krankenkassen für irgendjemanden sonst aufzuweisen vermag, wage ich zu bezweifeln.

In meiner eigenen Praxis erlebe ich oft, dass Betroffene sich durch ihre Diagnose hilflos und gebrandmarkt fühlen und dieses Stigma oft auch so weit reicht, dass sich Freunde und Bekannte zurückziehen. Bei manchen Krankheitsbildern wie der Schizophrenie ist dies meist besonders schlimm, da viele Vorurteile bezüglich der Erkrankung existieren. Kein Wunder also, dass die Betroffenen sich noch mehr zurückziehen, sich schämen und sich Ihrer Erkrankung oft hilflos ausgeliefert fühlen.

Mut gibt nun eine bewundernswerte junge Wissenschaftlerin namens Eleonor Longdon. Während Ihres Psychologiestudiums erkrankte sie an paranoider Schizophrenie und hörte plötzlich Stimmen in Ihrem Kopf, die all Ihre Tätigkeiten kommentierten. Statt Halt und Unterstützung bei Ihrer Freundin zu finden, der sie sich nach einigen Monaten nach großer Überwindung anvertraute, begann diese sie jedoch zu meiden. Auch von Seiten des Universitäts-Arztes bekam die junge Frau keine Unterstützung sondern nur den Ratschlag die Stimmen als Symptom ihrer Erkrankung zu sehen, sie also am besten nicht ernst zu nehmen, Ihnen keinerlei Notiz zu schenken.

Dies verstärkte jedoch Eleonors Angst und Ihren Widerstand gegen die Stimmen drastisch. Sie begann Sie als nicht zugehörigen Teil von sich selbst zu betrachten. Je mehr sie sich wehrte, desto feindseliger wurden die Stimmen und die Ärzte gaben Sie nach der medikamentösen Therapie bereits auf. Mit der Hilfe ihrer Familie und eines Arztes, der sie ermutigte, die Stimmen nicht als Symptom sondern als eine Reaktion auf traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit zu betrachten, änderte sich Eleonors Einstellung zu den Stimmen.

Sie begann zu begreifen, dass die Stimmen wie Splitter waren, die gewaltige, unverarbeitete Emotionen in sich trugen – Erinnerungen an sexuelle Misshandlung, die Scham- und Ohnmachtsgefühle, das Gefühl der Minderwertigkeit – Splitter, die von Ihrem bewussten Selbst absplittern mussten, da sie sonst die Pein nicht ausgehalten hätte. Eine gewaltige Überlebensstrategie.

Diese neue Erkenntnis verhalf ihr in Kontakt zu treten mit den Stimmen. Sie verstand zunehmend die Botschaft hinter den Stimmen. Wenn diese sie beispielsweise warnten das Haus zu verlassen, so begriff Eleonor, dass als Signal zu verstehen, dass sie sich gerade unsicher fühlte. Sie erfuhr, dass diese Splitter, die sich aggressiv zeigten, sofern man sie ablehnte, die Teile in Ihrem Selbst waren, denen am meisten Schmerz und Leiden zugefügt worden war und die nach Heilung, nach Integration und Achtsamkeit schrien.

Die Stimmen führten ihr ihre unerledigten, emotionalen Konflikte deutlich vor Augen und je mehr es ihr gelang, diesen Konflikten Aufmerksamkeit zu schenken, sich konstruktiv mit Ihnen auseinanderzusetzen und den Stimmen, zu danken, wenn sie sie darauf hinwiesen, um so mehr konnte der Heilungsprozess einsetzen. Schließlich gelang es ihr sogar die Medikamente abzusetzen, das Studium (mit Auszeichnung) zu beenden und zu promovieren – und das sogar mit Hilfe der Stimmen, die ihr in so mancher Prüfungssituation die richtige Lösung einflüsterten!

Ein wunderbares Plädoyer für eine andere Sichtweise und einen anderen Umgang, neuen Umgang mit psychischen Erkrankungen!

Quellen:

Corstens, D., Longden, E.: The Origins of Voices: Links between Voice Hearing and Life History in a Survey of 100 Cases. In: Psychosis – Psychological, Social and Integrative Approaches 5, S.270-285, 2013

Longden, E. et al.: Voice Hearing in Biographical Context: A Model for Formulating the Relationship between Voices and Life History. In Psychosis-Psychological, Social and Integrative Approaches 4, S.224-234, 2012